30.10.2013

Die neue "pax americana": "Freiheit" nur für die Märkte – totale Überwachung der Bürger. Ist das "Ende der Fahnenstange" US-amerikanischer "soft power" erreicht?

Durch die neuerlichen Enthüllungen über die NSA-Überwachung in Europa verlieren die USA nun auch in weiteren Teilen der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die von vielen (in der politischen Mitte) bisher so empfundene Rolle als im Grunde doch "wohlmeinende Weltmacht" ("benevolent hegemon"). Präsident Obama, 2008 nach den katastrophalen Bush-Jahren mit reichlich Vorschusslorbeeren gestartet, hat die Hoffnungen der Europäer und vieler anderer auf eine weniger imperialistische Rolle der USA enttäuscht. Die "Freundschaft" der USA zu ihren westlichen "Partnern", dies tritt nun mehr denn je zutage, ist nur ein Euphemismus für globalen wirtschaftlichen Konkurrenzkampf.

Die Flaggen der Mitgliedsstaaten der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) vor dem Hauptquartier der Organisation in der Hofburg in Wien



Die NSA-Überwachung findet  überall statt, in Frankreich, Spanien und Deutschland (im letzteren Falle sogar das Ausspionieren der mächtigsten Politikerin des Kontinents) und in Südamerika (Brasilien): 
Die kulturelle Entfremdung der USA von den anderen Nationen und Staaten des früher so genannten „freien“ „Westens“ geht weiter; heute benutzt niemand, der bei einigermaßen klarem Verstand ist, mehr dieses hehre Adjektiv „frei“ oder „freiheitlich“ in diesem Zusammenhang. Die Ausnahme bildet wie fast immer, vasallenhaft, das Vereinigte Königreich, das sich in der Ausspäh-Affäre einmal mehr als williger Helfer geriert und sich weiter von seinen europäischen Nachbarn differenziert. Nicht nur innenpolitisch, wo seit einigen Jahren die Steinzeit-Extremisten von der “Tea Party“ die einst stolze politische Diskurs-Tradition des Landes weiter zerstören und durch ihre Lakaien von “Fox News“ die latent rassistisch-xenophobe, marktfundamentalistisch-sozialdarwinistische Grundstimmung im Land verstärken, sondern auch außenpolitisch tritt nun auch für die bisher unkritischeren Teile der Öffentlichkeit Europas der neo-imperialistische Charakter der USA hervor, der bis 1989/90 durch die Macht der Sowjetunion in Schach gehalten wurde.

Verschiedene Interventionen der USA in Krisenregionen (Irak, Balkan, Somalia) wurden im darauf folgenden Jahrzehnt zum Großteil von der Mehrheit der Bevölkerungen in Europa unterstützt. Die bipolare Machtbalance des atomaren Gleichgewicht des Schreckens zwischen NATO und Warschauer Pakt (bekannt unter dem Akronym “MAD – Mutually Assured Destruction“) ist durch eine „pax americana“ ersetzt worden. Die USA erlebten etwa ein Jahrzehnt lang einen weltgeschichtlich „unipolaren Moment“, ihre kulturelle, militärische und politische Macht war (wie wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg) auf dem Zenit. Der US-Politikwissenschaftler Joseph Nye (Harvard) prägte zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 1990, den Begriff der “soft power“, um zu beschreiben, wie Weltmächte, und im Speziellen die Vereinigten Staaten von Amerika, auf „weichem“ Weg politische Macht v.a. auf der Ebene der Bevölkerungen ausübten, d.h. über sozio-kulturelle, mediale Beeinflussung.

Die USA waren in den Jahrzehnten nach 1945 bei den westlichen Bevölkerungen weniger wegen der “hard power“, d.h. der militärischen Schutzmachtrolle, die sie in Westeuropa inne hatten, beliebt, sondern v.a. wegen der Ideale und Mythen, die sie seit den Pioniertagen an der “frontier“ als Grundpfeiler des angeblichen US-amerikanischen Nationalcharakters pflegen, von Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück ("Life, liberty and the pursuit of happiness“); letzteres v.a. als Konsumismus, der den Wunsch nach höherem Lebensstandard und Wohlstand verwirklichte. Der hohe Lebensstandard war es, der von vielen im Westen dem Einfluss der USA und dem von ihnen „verteidigten“ Kapitalismus zugeschrieben wurde und der den Westen vom Osten unterschied. Zudem waren die USA für viele, gerade in Deutschland, der Beschützer der bürgerlichen Freiheiten, die man nach der bleiernen Zeit der NS-Diktatur genoss. Nicht zuletzt hatten die USA den Wiederaufbau Europas finanziert (natürlich auch aus geo- und wirtschaftspolitischen Überlegungen der Stärkung ihrer Hegemonie heraus). Dies alles waren in den unmittelbaren Nachkriegsjahren (den Jahren des „Wirtschaftswunders“ in der BRD) Faktoren der "soft power“ (wobei es umstritten ist, inwiefern ökonomische Macht eher „harte“ oder „weiche“ Macht ist).

Erste Kratzer bekam dieses Image der idealistisch allzeit für Freiheit und Bürgerrechte einstehenden „guten“ Weltmacht in der westlichen Öffentlichkeit, als Mitte der 1960er Jahre der Krieg in Südostasien eskalierte und zu einem einzigen großen Gemetzel an der vietnamesischen Zivilbevölkerung wurde; durch den Einsatz von Giftgas verloren die USA auch in den Augen vieler im Westen ihre bis dahin weitgehend intakte „weltpolitische Unschuld“. Eine ganze kulturelle Bewegung entstand aus dem transnationalen, ja transkontinentalen Protest der Jahre nach 1968, eine Bürgerrechtsbewegung, die u.a. Pazifismus, Feminimus und Ökologie als Themen in die Öffentlichkeit trug (Themen, die bis heute vielerorts noch oft vom reaktionären Mainstream diskreditiert bzw. marginalisiert werden). Vietnam war der erste massive Verlust von US-amerikanischer “soft power“, also von immaterieller, kultureller Macht. In den darauf folgenden Jahrzehnten wurden verbrecherische Diktaturen sowie islamistische oder andere Terroristengruppen unterstützt, so lange sie die Gegenspieler jeglicher kommunistischer oder sozialistischer Regierungen, egal ob demokratisch oder nicht, waren; als zwei Beispiele von vielen seien hier nur die von der CIA betriebene Absetzung und Ermordung von Salvador Allende in Chile 1973, der durch den Massenmörder Pinochet ersetzt wurde, sowie die Unterstützung der Mudschaheddin bzw. der späteren Taliban gegen die Sowjetunion in den 1980er Jahren genannt, ohne die eben jene radikal islamistischen Taliban ihre afghanische Schreckensherrschaft in den 1990er Jahren nie hätten errichten können.

Durch den Einsatz für die Wiedervereinigung Deutschlands gewannen die USA zu Beginn der 1990er Jahre (im Gegensatz zu dem eher skeptischen Frankreich (und Großbritannien)) in Bonn/Berlin und bei der deutschen Bevölkerung an Kredit zurück; viele Ostdeutsche sahen in den USA den „besseren“ großen Bruder, als es die Sowjetunion gewesen war, unter deren Herrschaft die DDR gegenüber dem Westen wirtschaftlich zurück gefallen war. Man erhoffte sich (in vieler Hinsicht vergebens) einen wohlwollenderen Hegemon. Dass dieser ultimative “Big Brother“ sie (und die Franzosen, Spanier u.a.) nun ausspioniert wie es selbst die Gestapo und Stasi wohl nie in diesem Ausmaß getan hatten, konnten sich die wenigsten Deutschen vorstellen (wobei die Behörden der Nazis und der DDR dies bei gleichen technischen Möglichkeiten sicherlich auch getan hätten).

Genau 38 Jahre nach der Ermordung Allendes 1973 (s.o.), am 11. September 2001, begann nach den Jahren des relativ harmonischen europäisch-amerikanischen Einklangs (unter Bill Clinton) und eines „Wirtschaftswunders 2.0“ (die "dotcom“-Ära, eine Blase, die dann um 2000 herum platzte) unter George W. Bush eine an die Jahre von Vietnam erinnernde neuerliche Ära der Entfremdung der USA vom Rest der Welt, auch von den engsten Bündnispartnern, den (west-) europäischen Staaten. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wurde nach den in ihren Ursachen bzw. Entstehung (absichtliche Fahrlässigkeit, Inszenierung?) wie auch immer zu bewertenden Anschlägen vom 11. September 2001 ein “war on terror“ ausgerufen, der die endgültige Opferung von Bürgerrechten zugunsten von (angeblich) mehr „Sicherheit“ bedeutete. Innenpolitisch wurde der "Patriot Act“ verabschiedet, der de facto das Ende von auf Grundrechten basierender Rechtsstaatlichkeit bedeutete. Außenpolitisch wurde in der Folge nicht nur ein umstrittener Angriffskrieg geführt (Irak), sondern, noch imageschädigender, viele zu „Terrorverdächtigen“ erklärte Gefangene aus Afghanistan, dem Irak oder sogar „westlichen“ Ländern (aus Deutschland z.B. Khaled Al-Masri und Murat Kurnaz) rechtswidrig entführt und in Abu Ghreib (Irak), Guantanamo oder Bagram gefoltert.



22.10.2013

Hass auf „Museln, Sozialbetrüger, linke Demonstranten, Asylanten“ - krude Weltsicht einiger weniger Rechtsextremer „von nebenan“ oder breite Reaktion auf zunehmende Unsicherheiten unserer Zeit?

Das (Wieder-)Erstarken von Populismus und Intoleranz in weiten Teilen Europas ist der sozio-ökonomischen Prekarisierung beträchtlicher Teile seiner Bevölkerungen geschuldet. In Österreich ist bei der nächsten Nationalratswahl die Regierungsübernahme durch Rechtspopulisten möglich bis wahrscheinlich. Die Textanalyse einer Hass-Hymne.

Heinz-Christian Strache, Chef der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die bei den Wahlen im September 2013 gut 20% der Stimmen erringen konnte, bei einer Wahlkampfveranstaltung



„Land der Museln, Eurozone – Moschee und Minarett statt Dome, Land der Sozialbetrüger – wir werdn blöder, anstatt klüger – Land der linken Demonstranten, Räuber, Diebe, Asylanten – mutig in die neuen Zeiten, Richtung Abgrund wir stolz schreiten, – vielgeprelltes Österreich.“


So hatte im Mai 2013 ein Schärdinger Polizist und FPÖ-Ersatzgemeinderat die österreichische Bundeshymne verunglimpft. Er wurde zwar deshalb wegen Herabwürdigung des Staates, Verhetzung und Verstoß gegen das Beamtendienstrechtsgesetzt angezeigt. Es wurde aber deutlich, dass rechtsextre
me Ansichten – in Österreich genauso wie in anderen Ländern - nicht nur „am Rande der Gesellschaft“ vertreten werden (wie es z.B. von deutschen (Unions-) Politikern immer beschwichtigend behauptet wird), sondern auch von Beamten, d.h. „Staatsdienern“ selbst, wie dieser Fall zeigt. In der „Version der Hymne“ des „Freiheitlichen“ spiegeln sich klar die populistischen Parolen des Parteichefs H.-C. Strache und seiner Redenschreiber wieder, die die Ängste und Gefühle jener Menschen aufnehmen, die solcherlei Aggressionen entwickeln (weil sie die Komplexität der Moderne nicht oder nur schwer fassen können), und sie mit dem biologischen Urinstinkt des Menschen gegen „das Fremde“, das Nicht-Konforme verbinden. Ziemlich erfolgreich, wie das Wahlergebnis, das gut 20% für die FPÖ und insgesamt fast 30% für alle rechtspopulistischen Parteien auswies, gezeigt hat.

Zum Text: „Land der Museln“ wird abgeleitet aus den „Überfremdungs-“ oder gar „Umvolkungs-“Ängsten, die von Strache und Co. geschürt werden; Moslems sind als (meist) Ausländer, (meist) Nicht-Weiße, als Nicht-Christen und in (meist) wirtschaftlich schwächerer Position ein Paradeopfer der rechten Propaganda. Paradoxerweise stehen aber viele konservativere oder gar islamistische Muslime dem Weltbild europäischer oder US-amerikanischer Nationalkonservativer oder Nationalsozialisten näher als „inländische“ weiße Linke, z.B. was die Rolle der Frau anbetrifft, das Familienideal, Vorbehalte gegen Emanzipation, Feminismus, freie Sexualität und andere alternative Lebensformen und/oder Orientierungen.

Die „Eurozone“ als Feindbild steht hier einerseits für die Ablehnung der Aufgabe jeglicher nationaler Identität (denn mit der Nation oder der „Volksgemeinschaft“ identifiziert sich der Rechtsextreme sehr stark, mit Transnationalem kann er wenig anfangen), andererseits stellvertretend für das Feindbild „die da oben“ oder die „weit weg vom einfachen Mann“, die in den Hauptstädten sitzen, Wien oder Brüssel, und die Interessen des „einfachen Volkes“ in dessen Gefühl nicht mehr vertreten (dieses wird, wie vieles andere hier Angeführte auch, durch die zuspitzende Propaganda der national orientierten Boulevardmedien verstärkt).

„Moschee und Minarett statt Dome“, wieder der Rekurs auf das Fremde, in diesem Fall Nicht-Christliche, das angeblich überhand nimmt, wobei die gesellschaftliche Realität eine andere ist, dass nämlich in den allermeisten Fällen die Diskriminierung oder Gewalt nicht von den Fremden, sondern von den rechten "Inländern" ausgeht (man vergleiche etwa die Anzahl rechter Morde an Ausländern oder Linken in Deutschland seit 1990 (184, die prominentesten die "NSU"-Morde), mit denen durch Linke an Rechten (keine)).

„Sozialbetrüger“, das Motiv des alten rechten Feindbildes der angeblich massenhaft existierenden, dem „braven“ rechtschaffenen Bürger auf der Tasche liegenden Arbeitslosen oder jedenfalls Empfängern von Transferleistungen, das hier der einfachste Nenner für jene ist, mangels anderer, für diese Schichten nicht greifbarer, Feindbilder (oder über die diese aufgrund gewisser Medienkonsum-Gewohnheiten nichts wissen). „Wir werdn blöder, anstatt klüger“, dafür ist der Autor, der auf die simplen Welterklärungsmodelle eines Strache anspringt, das beste Beispiel. „Linke Demonstranten“: stellvertretend für alle die die Schein-Gewissheiten, Einstellungen oder Lebensformen der rechtschaffenen, arbeitenden Bürger anzweifeln; „links sein“ und „demonstrieren“ ist für diese nicht konform und daher abzulehnen, genauso wie natürlich „Räuber, Diebe, Asylanten“ alle über einen Kamm zu scheren sind, als Parasiten, die ihn seines Besitzes und seines Lebensstandards berauben wollen.

„Mutig in die neuen Zeiten, Richtung Abgrund wir stolz schreiten“ - auch hier wieder die Untergangsszenarien, die von den Rechtspopulisten beschworen werden, wenn die Entwicklung zu kultureller Liberalisierung, offener Gesellschaft, Europäisierung und Internationalisierung weiter voranschreite (gegen die sie natürlich deshalb angeblich vehement kämpfen; viele der rechtspopulistischen Politiker (jedenfalls der FPÖ) haben sich jedoch eher persönlich bereichert als politisch etwas bewegt). Dann wird der Nationalstaat, das „vielgeprellte Österreich“, natürlich von den diffusen feindlichen Mächten übervorteilt und ausgenutzt.

Es ist ein perfekter Spiegel der Unsicherheiten jener Wählerschichten, die ihr vertrautes Umfeld immer mehr verändert sehen (bzw. ihren Horizont durch die Globalität der Moderne erweitern müssten, dies aber nicht können bzw für unzumutbar halten), aber mit dieser Veränderung nur schwer umgehen können und denen die Toleranz für Fremdes oder Nicht-Konformes aufgrund von Berührungsängsten oder national-konservativer Erziehung von klein auf fehlt. Dazu kommt eine oft schlechte wirtschaftliche Situation; auch wenn sie Arbeit haben, ist diese oft unbefriedigend, (zeitlich) überfordernd und/oder finanziell prekär. So lebt diese rechtsextreme Wählerschicht die durch sozio-ökonomische Umstände (Prekarisierung) in ihm aufkommenden Aggressionen nicht aus, indem es sich, im politisch linken Sinne, für eine echte soziale Veränderung dieser Umstände einsetzt, sondern es will eigentlich (natürlich unterschwellig) eine, natürlich unmögliche, Regression in die vertrauten nationalen, von Fremden (Ausländern, Nicht-Christen) und fremden, nicht-konformen Ansichten oder Einstellungen (Alternative, Linke, sexuell anders Orientierte) unberührten Umfelder der Konformität, von Arbeit, Familie (inkl. der Geschlechter-Rollenbilder Lohnarbeit/Hausarbeit-Küche), Haus, Heimat, Kirche. Diese wird als natürlich empfunden, alles Fremde als widernatürlich, künstlich. Biologistische Argumentation und Rhetorik (z.B. der "deutsche Volkskörper", der durch "Parasiten" wie Ausländer und Juden geschwächt wird) war bereits
 in der Sprache der Nationalsozialisten.eines der Hauptelemente


20.10.2013

Geschichte: Vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich. Preußens und Österreichs Machtkampf um die Vorherrschaft in Deutschland

Am heutigen Sonntag ein Blick werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte. Im Sommer vor 150 Jahren, 1863, spitzte sich der österreichisch-preußische Gegensatz zu.


Der Deutsche Fürstentag in Frankfurt am Main, 1863

Der Anfang vom Ende des Deutschen Bundes und der von Österreich favorisierten "großdeutschen Lösung" bei einer deutschen Nationalstaatsbildung kann auf den Sommer dieses Jahres datiert werden, genauer auf den preußischen Boykott des von Kaiser Franz Joseph I. in der alten Kaiser-, Reichs- und Freien Stadt Frankfurt am Main einberufenen "Fürstentages". Auf diesem sollte eine Reform des 1815 gegründeten Deutschen Bundes beraten werden und das Verhältnis der Hegemonialmacht Preußens gegenüber diesem geklärt werden. Preußens König Wilhelm I. blieb aber auf Betreiben seines Ministerpräsidenten, eines gewissen Otto von Bismarck, der Versammlung fern und brüskierte so die Präsidialmacht des Bundes, Österreich. Der Kaiser Franz Joseph I. hatte nach dem Verlust seiner oberitalienischen Gebiete (Lombardei) v.a. zur Rückgewinnung von Prestige sein Engagement in der "deutschen Frage" verstärkt und auf eine großdeutsche Lösung gedrängt.

Die Lösung dieser Frage wurde durch den preußischen Boykott vertagt, ein deutscher Nationalstaat mit Österreich und Preußen jedoch immer unwahrscheinlicher. Ende 1863 führten die beiden Mächte zwar gemeinsam eine "Bundesexekution" gegen Dänemark wegen dessen Gebietsansprüchen auf Holstein durch. Preußen verwaltete in der Folge formell Schleswig und Lauenburg, Österreich formell Holstein.

Die umstrittene preußische Besetzung von Holstein nur gut zwei Jahre später, im Juni 1866, führte dann aber zu einer vom Bundestag des Deutschen Bundes beschlossenen Bundesexeution gegen Preußen. So kam es zum "Deutschen Krieg" von Bundestruppen (u.a. aus Baden, Bayern, Frankfurt, Hannover, Sachsen, Württemberg) unter österreichischer Führung gegen Preußen (das sich, neben vielen kleineren deutschen Fürstentümern, mit dem noch mehr vom österreichischen Territorium beanspruchenden Italien verbündete).

In der Schlacht von Königgrätz (Hradec Králové) in Böhmen besiegten die preußisch geführten Truppen unter einem gewissen Generalfeldmarschall Moltke jene des Deutschen Bundes am 3. Juli.



09.10.2013

The tragedy of Lampedusa, the expansion of „Fortress Europe“ and the strengthening of right-wing populists: commitment to humanism and solidarity or a renaissance of nationalist populism?

The fate of Africa and of the refugees coming from there is still as embarrassing to supposedly “Christian“ and “humanistic“ Europe as ever.


"Boat people" from Africa in the Mediterranean Sea


Last week, another “refugee disaster happened“ off the coast of the Italian Mediterranean island of Lampedusa. As usual when African refugees drown or get stranded in the Mediterranean on their way to Europe, the event was called a “disaster” and “crisis,” as if it was an inevitable disaster caused by forces of nature that fatefully reached Lampedusa (and Europe).


In reality, the problem is a social and humanitarian one, which cannot be solved simply by sandbags or state force, such as (in this case the EU border) police („Frontex“). But instead of searching for real solutions, the EU has exacerbated its policy of a harsh approach towards these refugees and has militarized Frontex, whose task it is to control, protect and monitor the EU's external borders. The root causes of these waves of refugees – the abject poverty and the large socio-economic gap between the richer regions of the North and the West and the poorer ones of the South and the East - are usually not talked about in the mainstream media coverage or are just covered by niche channels, that are not conducive to the bulk of the public (such as a report on “Fortress Europe“ by German-French channel arte on Tuesday, October 8th, 22.10, that can be re-viewed here: http://www.arte.tv/de/760670.html, in German or French).

On the main public squares of some European cities and in the editorial offices of the tabloid media outlets, the retreat into nationalistic patterns is demanded and encouraged, according to which local populations should again be the first and foremost point of reference for politics, with “foreigners” less welcomed and attended to. The fears and old xenophobic instincts are instigated, of “the stranger“, who is presented as bad and dangerous to the interest of the local people, by populists, from Oslo to Berlin to Vienna and elsewhere. National shells appear comfortable and offer protection from “the foreign people, a-fighting, down in Turkey, far away“, as German poet J. W. Goethe wrote in his drama “Faust“ (1808) in the scene “Before the city-gate“:

“On Sundays, holidays, there’s naught I take delight in,
Like gossiping of war, and war’s array,
When down in Turkey, far away,
The foreign people are a-fighting.
One at the window sits, with glass and friends,
And sees all sorts of ships go down the river gliding:
And blesses then, as home he wends
At night, our times of peace abiding.“

This is said by “another citizen“ in a conversation among citizens.

This was more than two-hundred years ago. Now, in the twenty-first century, things are slightly different. Today, due to the cultural and above all economic globalization there is no (or almost no) point of the world left that could be compared to Goethe's “far away in Turkey“ then. The regions of the world are, for better or for worse, intrinsically linked to each other, economically and as far as the modes of communications and transport are concerned. In the seventeenth and eighteenth century, the powers of Europe expanded and thus created the first global economic network, a kind of “world system“, as Immanuel Wallerstein characterized it. In this age, later called “imperialism“, the “centres“ of the world system, i.e. the colonial powers (first Portugal, Spain, the Netherlands, then Britain and France, to be followed by Belgium, Italy and the German Empire) profited from the “periphery“, i.e. the colonies (initially in America, then in Asia and, well into the twentieth century, in Africa), or in other words exploited them.

In the twentieth century, by means of economic “globalization“, hailed as a mantra by neoliberal economists and politicians, this system of direct exploitation was replaced by one of indirect exploitation. Although the colonies were given their independence and political self-determination, they were still dominated by the West's ratio of economic exploitation. European and North American workers were deemed “too expensive“ in the “rationalization“ calculations of the multi-national corporations and others, their jobs outsourced, with a “race to the bottom“ taking place with regard to the costs of labour. Many goods consumed in the West were and are produced in the former colonies under conditions of exploitation. Social standards that apply in the Western working place are not only ignored there; far worse, conditions are inhumane, and in fact, human lives are often deemed worthless by the powers that be when the pursuit of their prestige of profit is concerned. The most recent, sad examples of this are the deaths of dozens of construction workers of the stadia that are being built for the 2022 FIFA football World Cup in Qatar, or the hundreds of factory workers who suffered a cruel death in the collapse of a textiles factory in Bangladesh. Meanwhile, the (comparatively) rich petty bourgeois in the West apparently stands at the window and secretly takes delight in this or at least doesn't care much about the fate of the people there, “in Turkey, far away“, and keeps celebrating hedonistically “on Sundays, holidays“ at fun fairs (“Oktoberfest“) or elsewhere.

The apathy and indifference of many people in the West is almost as bad as the hatred and the small-mindedness of the racists and xenophobes, who not only hate the foreigners, but see them as a threat to their standard of living, that is based on the exploitation of exactly the same people in the (formerly so-called) “Third World“. This attitude of “strangers as a threat“ is widely held by many in the North, not only towards the non-European asylum seekers or economic migrants, but increasingly also towards the supposedly “lazy Southerners“ in Europe, who allegedly effortlessly receive money from the Northerners “as a gift“. This is perhaps the biggest myth, not to say most blatant lie, that the “Springer“ (i.e. “yellow“) press and other media outlets have hammered into many Germans' perceptions (and that has probably brought a lot of extra votes to Chancellor Merkel): that the German taxpayer has “saved Greece“. In reality, the banks and financial speculators have made a killing in these “rescue“ operations, whereas the populations of those “crisis“ countries, from Athens to Dublin, have suffered severe cuts; thus, it has been a redistribution of money from the lower and middle classes to the very top. “People around here [Germany and the other rich Northern countries] squat on their comparatively gigantic wealth and are frightening themselves almost to death – as if the future has not always been uncertain“, Austrian writer Eva Menasse aptly described those in the populace, who fell for the scare tactics of the populists or right-wing extremists (such as the „Progress Party“ (Norway), Orbán and “Jobbik“ (Hungary), Strache, Stronach (Austria), Wilders (Netherlands), the anti-EU “Alternative für Deutschland“ and parts of the Conservative party (CDU/CSU) in Germany) and their henchmen in the press (Germany's “BILD“ paper and Austria's “Kronen-Zeitung“, and many national TV stations). This fear has been brought into the main stream of the European societies and the tendency towards more cosmopolitanism, which seemingly began to grow with the process of Europeanization, has been killed off by austerity and right-wing populism.


07.10.2013

Das Drama von Lampedusa, der Ausbau der „Festung Europa“ und das Erstarken rechter Populisten: Bekenntnis zu solidarischem Humanismus oder Renaissance nationaler Kleinbürgerlichkeit?

Das Schicksal Afrikas und der von dort kommenden Flüchtlinge ist weiterhin so beschämend für das angeblich „christliche“ oder „humanistische“ Abendland wie eh und je. Letzte Woche ist es vor der italienischen Mittelmeerinsel wieder zu einer (von bereits unzähligen) „Flüchtlingskatastrophen“ gekommen. So wird es in den Nachrichten immer formuliert, wenn wieder einige afrikanische Flüchtlinge vor der Küste von Lampedusa oder anderswo im Mittelmeer, auf dem Weg nach Europa, ertrinken oder stranden. Als ob es von Naturgewalten hervorgerufene, unabänderliche, Unglücke seien, die schicksalhaft über Lampedusa (und Europa) hereinbrächen.



Flüchtlinge vor der italienischen Insel Lampedusa



Dabei ist das Problem natürlich ein soziales bzw. humanitäres und humanistisches, keines, dass man mit Sandsäcken oder mit staatlicher Macht bzw. (Polizei-) Gewalt („Frontex“) bekämpfen könnte. Doch anstatt dass man ernsthafte Lösungen sucht, wird von der Politik, in diesem Fall der Europäischen Union, das Vorgehen gegen diese Flüchtlinge noch verschärft, die Grenzpolizei „Frontex“, deren Aufgabe die Kontrolle, Sicherung und Überwachung der Außengrenzen der EU ist, militarisiert. Die Wurzeln bzw. Gründe dieser Flüchtlingswellen, nämlich die bittere Armut und große sozio-ökonomische Diskrepanz zwischen den reichen Regionen des Nordens und Westens und den ärmeren des Südens und Ostens werden von der Berichterstattung (weitgehend) ausgeblendet, oder sind nur auf der breiten Masse (intellektuell?) nicht zuträglichen (oder zumutbaren?) Nischensendern Thema (TV-Tipp: arte, Dienstag, 8. Oktober 2013, 22.10 h, oder vorher schon hier: 
http://www.arte.tv/de/7670670.html).



Auf den Haupt- oder Marktplätzen mancher europäischer Städte und in den Redaktionsstuben der Boulevardmedien werden dumpf „nationale“ Rückbezüge befördert und gefordert; dort heißt es, man solle sich wieder auf die heimische Bevölkerung beziehen und allem Fremden wehren. Die Ängste der Menschen vor dem diffus und einheitlich als gefährlich dargestellten Fremden, die xenophoben Instinkte, werden von Populisten von Oslo über Berlin bis Wien wieder geschürt. Nationale Schneckenhäuser erscheinen wohlig und bieten Schutz, wenn hinten, weit in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen“, wie schon Goethe im „Faust“ (1808) schrieb („Vor dem Tor“):
"Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, /Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,/Wenn hinten, weit, in der Türkei, /Die Völker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus/Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten; Dann kehrt man abends froh nach Haus, /Und segnet Fried’ und Friedenszeiten“.

Dies lässt er im Gespräch mehrerer Bürger einen „andren Bürger“ sagen. 


Das war vor mehr als zweihundert Jahren. Nun, im 21. Jahrhundert, liegen die Dinge jedoch etwas anders. Es gibt durch die kulturelle und vor allem die ökonomische Globalisierung keinen (oder kaum einen) Flecken auf der Weltkarte, der heute mit dem damaligen „weit in der Türkei“ von damals vergleichbar ist; die Regionen der Welt sind ökonomisch und kommunikationstechnisch miteinander auf Gedeih und Verderb verbunden. Die Mächte Europas expandierten im 17. und 18. Jahrhundert und schufen so eine erste globale ökonomische Vernetzung, eine Art „Weltsystem“ (Immanuel Wallerstein). In diesem, später als „Imperialismus“ bezeichneten, Zeitalter des 19. und frühen 20. Jahrhunderts profitierten die Zentren, d.h. die Kolonialmächte (zuerst Portugal, Spanien, die Niederlande, dann Großbritannien und Frankreich, dann auch Belgien, Italien und das Deutsche Reich), von der Peripherie, d.h. den Kolonien (erst in Amerika, dann in Asien und bis weit ins 20. Jh. in Afrika) profitierten, um nicht zu sagen, beuteten diese aus. Im 20. Jahrhundert wurde durch die dann gegen Ende des Jahrhunderts auch so genannte „Globalisierung“, die zum Mantra neoliberaler Wirtschaftspolitik wurde, das direkte durch ein indirektes Ausbeutungssystem ersetzt. Zwar wurden die Kolonien in mehreren Wellen in die staatliche Unabhängigkeit, d.h. politische Selbstbestimmung, entlassen, doch wirtschaftlich bestand in vielen Gegenden der Welt das Ausbeutungsverhältnis weiter. Die europäischen und nordamerikanischen Arbeiter wurden im globalen "race to the bottom" der „Rationalisierung“ „zu teuer“; im beliebten, aber berüchtigten "outsourcing" wurden viele Waren der Konsumenten im Westen nun von den Bevölkerungen der ehemaligen Kolonien zu weiterhin ausbeuterischen Konditionen gefertigt. Dabei wurden und werden bis heute die sozialen Standards, die in der Arbeitswelt des Westens gelten, nicht nur missachtet, sondern weit, bis ins Unmenschliche, unterschritten, sogar so weit, dass Menschenleben nicht gelten im Profit- (oder Prestige-)Streben der Mächtigen in Wirtschaft und Politik. Jüngste, traurige Beispiele sind die Bauarbeiter, die auf den Baustellen der für die WM 2022 in Katar entstehenden Fußballstadien ums Leben kamen, oder die Fabrikarbeiter, die in der eingestürzten Textilfabrik in Bangladesh einen grausamen Tod fanden. Der (im Vergleich dazu) reiche Kleinbürger des Westens steht dabei aber scheinbar am Fenster und ergötzt sich klammheimlich am oder erregt sich zumindest nicht sehr über das Schicksal dieser Menschen dort, das liegt für ihn „weit in der Türkei“, während er in der Heimat fröhlich-hedonistisch die „Sonn- und Feiertage“ bei Volksfesten o.ä. feiert.

Die Teilnahmslosigkeit bzw. Gleichgültigkeit vieler dieser Menschen (z.B. jener, die als Konsumenten gedankenlos einkaufen, was am billigsten ist), ist dabei fast genauso schlimm wie der Hass bzw. die Kleingeistigkeit der Rassisten und Ausländerfeinde, die die Fremden nicht nur hassen, sondern als Gefahr für ihren, oft auf Ausbeutung genau jener Menschen in der (früher so genannten) „Dritten Welt“ beruhenden, Lebensstandard fürchten. Diese Haltung haben im Norden wohl viele sowohl gegenüber den nicht-europäischen Asylbewerbern oder Wirtschaftsflüchtlingen als auch gegenüber den angeblich „faulen Südländern“ in Europa, die angeblich anstrengungslos das Geld der Nordländer geschenkt bekämen. Letzteres ist der wohl größte Mythos, um nicht zu sagen, die glatteste Lüge, die z.B. die Springerpresse und andere Medien dem deutschen Volk erfolgreich eingebläut haben (und der der Kanzlerin wohl viele Wähler beschert hat), jener, dass deutsche Steuerzahler „Griechenland retten“ würden; in Wirklichkeit verdienen sich die Banken und Finanzspekulanten an dieser Rettung eine goldene Nase, während die Bevölkerung, von Athen bis Dublin, milde gesagt, harte Einschnitte erleidet; also eine Umverteilung von unten und der Mitte nach oben. „[H]ierzulande hockt man auf seinem vergleichsweise gigantischen Reichtum und fürchtet sich schier zu Tode – als wäre die Zukunft nicht allzeit ungewiss“, beschreibt die österreichische Autorin Eva Menasse (in: ZEIT, 5.9.13, S. 44) treffend jene, bei denen die Angstmacherei der Populisten (Breivik (Norwegen), Orbán, „Jobbik“ (Ungarn), Strache, Stronach (Österreich), Wilders (Niederlande) , „Alternative für Deutschland“, auch Teile der CDU/CSU) und ihrer Handlanger in der Presse (BILD, „Krone“ sowie die meisten nationalen Fernsehsender) gefruchtet hat. Diese Angst ist weit in die Gesellschaften hinein getragen worden; die (scheinbare?) Weltoffenheit, die mit dem Prozess der Europäisierung zu wachsen begann, ist zunichte gemacht worden durch Austerität und Rechtspopulismus.