Die Antwort auf die Wahlerfolge von Rechtspopulisten (zuletzt in den Niederlanden, Deutschland und Österreich) und auf den Rückgriff auf separatistische oder nationalistische Bewegungen in ganz Europa (z.B. in Schottland oder Katalonien) ist nicht mehr Zentralisierung, sondern weniger, und nicht weniger echte (Sozial-) Demokratie, sondern mehr.
Das dauerhafte Fehlen sozialdemokratischer, geschweige denn noch weitreichenderer, solidarischer europäischer und nationaler Politik und das Zunehmen “sozialer Kälte” seit (mindestens) den letzten beiden Jahrzehnten (langfristiger seit 1989 oder sogar 1982) wird von den urbanen, (bildungs-)bürgerlichen Mittelschichten in den Speckgürteln oder Innenstädten westlicher Großstädte objektiv wohl genauso wahrgenommen wie von denjenigen ärmerer ländlicher oder sonstiger peripherer Regionen. Doch letztere sind subjektiv - in ihrer eigenen Lebenswelt - ungleich mehr davon betroffen oder gar existentiell bedroht (oder empfinden dies perzeptiv zumindest so). Dagegen ist (zumindest in mittel- und nordeuropäischen Regionen) der Großteil der Menschen in der ersten Gruppe (urbane oder suburbane Mittelschichten) bisher noch nicht im gleichen Ausmaß von den Auswirkungen des globalisierten liberalen Fundamentalkapitalismus in Form von “Flexibilisierung”, Prekarisierung, Sozialabbau und (zukünftiger) Massenarbeitslosigkeit betroffen.
Wenn nicht durch eine, nennen wir es “neue sozialdemokratische”, solidarische Politik entgegengesteuert wird, werden diese Entwicklungen auch die gerade heranwachsende(n) Generation(en) (“Millennials” und folgende) in den nächsten Jahrzehnten in den bisher reicheren Zentren Europas erwarten, und die Peripherien werden – bis auf ein paar reiche Mitglieder der Oberschichten - endgültig in die armen Verhältnisse der Prä-EG/-EU-Jahrzehnte zurückfallen (1960er bis 1980er Jahre). Eine solche Politik ist in der der derzeitigen EU aber nicht gegeben; so sind in vielen anderen Bereichen Harmonisierungen erfolgt (meistens zugunsten der großen Konzerne), aber es ist z.B. bis heute dem einzelnen EU-Bürger nicht möglich, gegen fehlende oder mangelhafte Sozialstandards seines Staates (oder erst recht nicht seines Arbeitgebers) auf europäischer Ebene zu klagen.
Die Lösung dieser bestehenden Diskrepanz zwischen Zentren und Peripherien liegt - bei einer natürlich notwendigen Distanzierung von neofaschistischen oder neonazistischen Positionen - nicht in einer Verächtlichmachung der in den Peripherien durch die Wahl von entsprechenden Parteien “geäußerten” (realen oder perzeptiven) Nöte, so wie es viele Angehörige des städtischen (z.B. westdeutschen) Bürgertums aus ihrer (noch) komfortablen Position heraus tun. Es sollte in diesem Klientel und bei deren politischen Vertretern vielmehr darüber nachgedacht werden, wie man den propagierten verfänglichen “einfachen Lösungen” der Rechten, die durch die immer weiter auseinander gehende Schere der Lebenswelten zwischen Zentrum und Peripherie befeuert werden, konkret entgegenwirken kann – z.B. durch Investitionen in, nicht noch mehr Austerität an der Peripherie (nicht nur in den armen Ländern Europas, sondern auch in den Peripherien der reicheren (d.h. den strukturschwachen Gegenden in der BRD) – für Länder wie die BRD oder Österreich wäre dies bei der derzeitigen Haushaltslage nicht einmal ein fiskalischer Kraftakt; stattdessen dominieren national und in Europa jedoch Sparfetischismen wie die “schwarze Null” (die “Schuldenbremse” in der BRD), die von manchen als zu Recht als zukunftspolitischer “Wahnsinn” oder "Schwachsinn" bezeichnet wird.
Natürlich sind die Bevölkerungen an der Peripherie, die diese national(istisch)en Rückgriffe besonders zahlreich als “Lösung” aufgreifen, oft “nützliche Idioten” von rechtspopulistischen Politikern, die genauso wenig an einer sozialdemokratischen, geschweige denn solidarischen Politik interessiert sind wie die große Mehrheit der anderen Parteien und der Wirtschaft; dies ist aber weniger ein “Versagen des Bildungssystems” (wobei es da natürlich auch Ansätze gäbe), sondern dafür ist das Versagen der linken und grünen Parteien hauptursächlich, die sich seit spätestens Ende der 1990er Jahre an bürgerlich-großkapitalistische Interessen angebiedert oder diese sogar in ihrer eigenen Regierungsverantwortung offen vertreten und umgesetzt haben, und von denen sich deshalb die peripheren Bevölkerungen nicht mehr vertreten fühlen.