28.04.2020

Corona: Ein Virus der Angst und des Misstrauens oder die Chance auf eines neues Wertesystem?



An diesem heutigen 27. April 2020 feierte die Republik Österreich den 75. Jahrestag ihrer (Wieder-) Begründung, als sogenannte „Zweite Republik“, noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Aber dieses Jubiläum wird in diesen Tagen genauso von der alles beherrschenden Corona-Krisenberichterstattung überschattet wie das Gedenken an den atomaren Super-GAU in Tschernobyl vor 34 Jahren, am 26. April 1986. 


Die vierzig Tage, von denen der zur Zeit inflationär verwendete Begriff der „Quarantäne abgeleitet ist, sind am vergangenen Wochenende verstrichen. Zumindest sind es jetzt so viele in Österreich seit dem Beginn der „Ausgangsbeschränkungen"; es werden aber noch einmal knapp drei Wochen vergehen, bis Mitte Mai mit der Wiederaufnahme des Schulbetriebs und der Öffnung der Gastronomie zumindest bis auf Weiteres wieder so etwas wie „Normalität“ einkehren wird. Allerdings wird das eher die berüchtigte „neue Normalität“ sein, d.h. es werden weiterhin die inzwischen bereits fast schon in den „gewohnheitsmäßigen Alltag“ übergegangenen Abstandsregeln gelten (wenn man in der momentanen Situation von Alltag sprechen kann). Größere Versammlungen bzw. Großveranstaltungen kultureller oder sportlicher Natur mit Publikum wird es wahrscheinlich noch mehr als nur einige Monate lang nicht geben – gehen wir  nicht von 40, sondern eher von ungefähr 400 Tagen aus, bis diese Situation, zumindest aus medizinischer Sicht, (hoffentlich) gelöst ist – von den sicherlich länger als nur ein oder eineinhalb Jahre andauernden Folgen des verhängten "lockdowns“, sowohl für die Wirtschaft als auch gesamtgesellschaftlich, mal ganz abgesehen.

Tagesaktuell sollte normalerweise aufhorchen lassen, dass die Rüstungsausgaben sich laut dem heutigen Bericht des Stockholmer International Peace Research Institute (SIPRI) weltweit so stark steigerten wie zuletzt vor zehn Jahren und erneut auf einem Rekordniveau liegen – bei jetzt 1,917 Billionen US-$ (2018 waren es um ca. 120 Milliarden weniger, 1,8 Billionen US-$), an der Spitze die USA mit 732 Milliarden (38% aller globalen Miltärausgaben), die ihre Ausgaben genauso steigerten (um 5,3%) wie China mit 261 Milliarden (Steigerung um 5,1%) und Indien mit 71,1 Milliarden (Steigerung um 6,8%). Die stärkste Steigerung aber gab es in Deutschland, das um 10% mehr ausgab und nun bei 49,5 Milliarden $ liegt. Im Moment sind das aber alles nur Randnotizen zu "Corona".

Jubiläen (so wie auch das bald anstehende Gedenken am 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, am 8. bzw. 9. Mai) genauso wie geopolitisch bzw. militärisch heraufziehende oder eigentlich immer noch brisante Konflikte (z.B. die Situation im Jemen, im Golf (z.B. zwischen Saudi-Arabien und dem Iran und deren jeweiligen Bündnispartnern, den Atommächten des „neuen Kalten Krieges“, im Hintergrund), z.B. auch das Machtspiel zwischen den USA und China in bzw. um Hongkong und Taiwan, z.B. die Machtkämpfe zwischen US-unterstützten Neoliberalen oder Faschisten und deren linken Feinden (Venezuela, Bolivien) in Südamerika) kommen im Moment in der corona-dominierten Berichterstattung, geschweige denn in der Gedankenwelt des Durchschnitts-Dieters, nur marginal vor.

Welche Schlüsse sind aus dieser Ausnahmesituation zu ziehen, und welche Hoffnungen kann man damit verbinden? Einerseits sieht man, dass es erstaunlicherweise möglich war, große Teile der Wirtschaft „herunterzufahren“, um die Ausbreitung einer Pandemie zu verhindern, wo es doch angeblich zuvor aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich gewesen war, dies aus anderen längerfristigen Überlegungen heraus zu tun, primär natürlich z.B. die Reduktion von Verkehrsströmen aus Gründen des Klimaschutzes bzw. mit dem vielbeschworenen, aber nicht wirklich konsequent verfolgten Ziel der „Nachhaltigkeit“ - wie sich auf den zahlreichen, so gut wie ergebnislosen „Klimakonferenzen“ gezeigt hatte. Eine Pandemie „bewirkte“ hier mehr als jede Klimakonferenz seit oder vielleicht sogar inklusive jener von Paris.

Diese Maßnahmen mussten jedoch eigentlich im Grunde als Reaktion auf oder als „Reparatur“ jener berühmt-berüchtigten „Marktkonformität“ gesetzt werden, die zuvor jahrzehntelang die Finanzpolitik der Staaten auch im Bereich der Gesundheitssysteme dominiert hatte und eine rigide Austeritäts- bzw. Kürzungspolitik durchgesetzt hatte, mit Einsparungen u.a. bei den jetzt so vielzitierten und -benötigten Intensivbetten. Dabei waren es v.a. die jetzt als „gut durch die Krise kommenden“ Länder Mitteleuropas, v.a. Deutschland, die Niederlande und Österreich, die noch vor wenigen Jahren ebensolche Kürzungen als „Sanierungsmaßnahmen“ in den „Schuldenstaaten“ Italien, Spanien, Griechenland, Irland und Portugal durchgesetzt haben und sich jetzt brüsten, dass es bei ihnen „nicht so schlimm kommt wie in Italien“ (ohne natürlich die Austerität des letzten Jahrzehnts zu erwähnen). Es sind genau jene Staaten um Deutschland herum, die einserseits die Krise „super managen“, aber andererseits Solidarität nur bedingt und zähneknirschend zusagen, wenn sie Hilfsgeldern für die Corona-Krisenstaaten im Süden zustimmen – gemeinsame Euro-Anleihen („Eurobonds“ oder „Corona-Bonds“) lehnen sie immer noch kategorisch ab, obwohl dies im Sinne einer langfristigeren gemeinsamen europäischen Währungspolitik die eigentlich sinnvollere Maßnahme wäre, wenn man erneute regelmäßige Euro-Krisen im Jahresrhythmus, vielleicht sogar mittelfristig das Auseinanderbrechen der Eurozone, oder gar den Austritt weiterer Staaten aus der Europäischen Union vermeiden will. Die Zustimmung zur EU ist jedenfalls in den südeuropäischen Staaten (inklusive des auch stark von Corona betroffenen Frankreichs) durch diese Weigerung nicht gerade gestiegen, um es milde auszudrücken.