Bei
den Nationalratswahlen haben die beiden (vom Ergebnis nicht mehr allzu) „großen“ Parteien jeweils leicht verloren (SPÖ 27%, ÖVP
24%); trotzdem werden sie aller Voraussicht nach ihre Koalition
fortsetzen (die - unterbrochen von einem schwarz-blauen Intermezzo 1999 bis 2006 - seit 1986, also seit 27 Jahren, regiert). Zusammen kamen die Regierungsparteien aber nur noch auf gerade mal
50%. Die rechtspopulistische FPÖ ist nach ihrem Bruch Mitte des letzten Jahrzehnts endgültig wieder zur dritten - fast (wieder) zur zweiten - Kraft geworden und holte mehr als 20%, bleibt aber wohl bei der Regierungsbildung außen vor.
Die Grünen erzielten mit 12,3% ihr bestes Ergebnis der Geschichte, gewannen aber trotz der Skandale, in die alle anderen etablierten Parteien verwickelt waren, nur leicht hinzu. Die Rechtspopulisten gewannen, weil sie sich als neue Kraft, die mit der Korruption „aufräumt“, inszenieren konnten ("TeamStronach", 5,7%), oder auch, obwohl sie wie keine andere in Finanz-Skandale (z.B. den um Karl-Heinz Grasser) verwickelt waren, aufgrund geschickter demagogischer Rattenfängerei und der massenhaften Verbreitung einfacher (Protest-)Parolen, massiv hinzu (FPÖ, 20,6%, plus 3%); sie gewannen vermutlich viele Stimmen von ehemaligen ÖVP-Wählern, (nicht nur, aber v.a. auch) auf dem Land. Dort (v.a. in der Steiermark) wurden die Freiheitlichen mit 25% oder mehr vielerorts sogar stärkste Kraft; aber auch im (nur noch sprichwörtlich?) "roten" Wien holten sie etwa 20%. Nur einige Prozent fehlten, und die FPÖ, die ihr historisch zweitbestes Ergebnis (nach 1999, unter Jörg Haider, damals 27%) holte, wäre zur zweitstärksten Fraktion im Nationalrat geworden (wie schon 1999, als sie gleich viele Mandate (52) wie die VP errang; dieses Mal nur zehn weniger).
Das
Negative an diesem Ergebnis ist nicht nur, dass die
Rattenfängerei (mal wieder) gefruchtet hat. Es ändert sich auch
ansonsten nicht viel in der politischen Landschaft Österreichs. Das
Land steuert aber parteien- und fraktionstechnisch auf "Weimarer
Verhältnisse" zu, d.h. viele (nun sechs) Fraktionen im
Parlament und eine an den Rändern polarisierte Parteienlandschaft.
Mit dem Unterschied, das nur ein Rand stark ist, nämlich der rechte
(mit insgesamt mehr als 25% für rechtspopulistische Parteien (FPÖ
und Stronach)). Das heißt konkret: Erstens, eine „große
Koalition“ (nicht mehr ganz so groß wie 2008, heuer kommen SPÖ
und ÖVP nur noch auf gerade mal 50% (s.o.)) bleibt die einzige
einigermaßen stabile Regierungskoalition (mit allerdings bei
aktuellem Stand nur noch sieben Sitzen Mehrheit). Zweitens, es gibt
weiterhin eine klare rechte Mehrheit in der Alpenrepublik. Das
(einzig) Positive ist: Der rechte Rand bleibt von der Regierung
ausgeschlossen. Die Koalition der Mitte unter Kanzler Faymann (SPÖ) und Vizekanzler und Außenminister Spindelegger (ÖVP) wird (wahrscheinlich)
fortgesetzt.
Die Opposition wird nach wie vor, aber nun
stärker denn je, von einer starken rechtspopulistischen Partei, der
FPÖ, angeführt werden, die gegenüber ihrem Ergebnis von 2008
zulegen konnte. Die in einige Korruptionsaffären verwickelten und
zum Teil bei den Landtagswahlen (z.B. Salzburg) bereits abgestraften
großen Parteien ÖVP und SPÖ bleiben dennoch gemeinsam an der
Macht, aber die ebenfalls bis ins Mark korrupte FPÖ konnte diese
Korruptions-Skandale, die sie in Kärnten die Macht gekostet hatten,
jedoch erfolgreich überspielen und mithilfe plumper Protestrhetorik
punkten. Diese wurde befördert von der niveauarmen Mainstream-Presse
(„Kronen-Zeitung“), den berüchtigten Gratiszeitungen („heute“
und „Österreich“), durch massenhafte Werbung in allen Medien und
Plakatierung in Dimensionen, die die der anderen Parteien an vielen
Orten deutlich übertraf. Die erfolgreiche Inszenierung als
Protestpartei („Wahlzettel als Denkzettel für die Regierung“)
funktionierte, mit der zentralen Behauptung, im Gegensatz zu allen
anderen, v.a. aber den etablierten Parteien, sich in „Nächstenliebe“
(eine unglaubliche Pervertierung dieses christlich-humanistischen
Wortes) gegenüber allen "Inländern" („wir sind
Inländerfreunde, keine Ausländerfeinde“) deren sich angeblich
konstant verschlechternder Situation anzunehmen (in einem Land, das
in Europa wirtschaftlich so gut dasteht wie kein anderes, z.B.
niedrigste Arbeitslosigkeit). Mit dem Einschlagen auf schwache
Fremde, nämlich angebliche „Asylbetrüger“, und mit dem
Ausspielen des "österreichischen" Prekariats gegen das
"ausländische" (die angebliche Benachteiligung von
Inländern gegenüber Ausländern z.B. bei Sozialwohnungsvergabe),
und dem Wettern gegen "die da oben" punktete Heinz-Christian
Strache, der Demagoge an der Spitze der FPÖ.
Mit
seiner Positionierung gegen den Euro und gegen die „Rettung“
„fauler Südländer“ angelte er sich geschickt auch noch ein paar
sozialdarwinistische, rechte Euroskeptiker. Zudem erinnerte die
personalisierende Fokussierung auf eine Person, den Parteiführer
H.-C. Strache (ohne dessen demagogisches Genie seine Partei wohl nur
ein nicht ernstzunehmender Haufen neonazistischer Witzfiguren wäre),
und dessen Stilisierung zum „Erlöser“ und „Retter“ der Armen
und Schwachen, eben „seiner“ „Österreicher“, fatal an andere historische österreichischstämmmige „Führer“gestalten.
Anders als z.B. die (eher) akademisch-intellektuelle, die
finanziellen Oberschichten ansprechende "AfD" in
Deutschland (die dort von manchen etwas polemisch als
„besserverdienende Nazis“ betitelt wurden) ist die FPÖ – wie
die damalige nationalsozialistische Arbeiterpartei - eine klassische
Partei des von „all denen da oben“ enttäuschten „kleinen
Mannes“, eine Partei des rechten, intellektuell minderbemittelten
kleingeistigen Kleinbürgertums, das sich eine starke Führerfigur
wünscht, die in einer einfachen Sprache spricht, die es versteht. Es
braucht ein starkes Idol, auf das es seine Hoffnungen, und
Feindbilder (Ausländer, Andersartige/Fremde, Intellektuelle), auf
die es seinen Hass projizieren kann. Genau mit diesen Hoffnungen und
Feindbildern spielt Strache, wenn er von „meinen Österreichern“
spricht, die von „den anderen“ oder „den da oben“ angeblich
bedroht, übervorteilt und ausgenutzt werden und die er vor dieser
Bedrohung schützen will.
Sollte sich die ÖVP doch dazu
versteigen, im Versuch einer rechten Koalitionsbildung, die FPÖ mit
an Bord zu holen (mit dem Team Stronach als kleinstem Partner), würde
sie es sich mit vielen ihrer gemäßigten Wähler endgültig
verscherzen. Mal abgesehen davon, dass die Stabilität und
Regierungstauglichkeit einer solchen Koalition sehr fraglich wäre,
würde dies die Polarisierung Österreichs zwischen dem urbanen,
rot-grünen Milieu, von dem Städte wie Wien (traditionell rot bzw.
von einer rot-grünen Mehrheit regiert), Salzburg (wo die Grünen bei
den letzten Landtagswahlen ein starkes Ergebnis erzielten) und Graz
(wo sogar die Kommunistische Partei Stadträte stellt) geprägt sind,
und dem ländlichen, zum rechten Lager neigenden, Milieu, weiter
verschärfen. Eine Fortführung der rot-schwarzen Koalition ist
daher bei den derzeitigen ("Weimarer")
Mehrheitsverhältnissen mehr als nur das kleinere Übel,
v.a. mit
Hinblick auf das bisher seit jeher für Österreich typische
gesellschaftliche und politische Klima von Kooperation, von
gesellschaftlicher und politischer gegenseitiger Toleranz (das die Rechstpopulisten brechen). Sie ist
angesichts dessen die einzig vernünftige Variante.
Zu
befürchten ist jedoch, dass die FPÖ, wenn sie außen vor bleibt,
sich in der Opposition weiter als „soziale Heimatpartei“ des
„kleinen Mannes“ und der „Österreicher“, gegen die
Migranten, gerieren wird (ein Partei-Slogan, den sie im übrigen mit
der deutschen Neonazi-Partei NPD gemeinsam hat), ohne die
Versprechungen und Hoffnungen einlösen zu müssen, die sie schürt
und weckt, und so noch mehr Stimmen des rechten Lagers gewinnen
könnte. Diese könnten von dem trotz der recht guten Wirtschaftslage
(ähnlich wie in Deutschland) auch in Österreich existenten,
enttäuschten, rechts gepolten Prekariat, aber auch von national und
xenophob gesinnten Angehörigen der Mittelschicht kommen. Die nun
nicht mehr in Wien repräsentierten Wähler des seit 2005 von der FP
abgespaltenen BZÖ (ca. 3,5%), das nun quasi bedeutungslos ist, wird
Strache zu großen Teilen hinzu (zurück) gewinnen können. Diese
Zuwächse könnten 2018 – vorbehaltlich der Wirtschaftslage und
anderer Unwägbarkeiten der nächsten fünf Jahre – Straches
Populisten zur stärksten Kraft des rechten Lagers, vielleicht sogar
der Republik insgesamt, werden lassen. Davon war die FPÖ schon
dieses Mal nur 3 % (auf den zweiten Platz) bzw 7% (zur SPÖ)
entfernt. Sollte dieser Vorsprung der SP-VP-Koalitionäre in der
nächsten Amtszeit weiter schwinden, hätten sie, die sich dieses Mal
(noch) knapp hielten, ihre „letzte Chance“ an der Regierung, wie
einige Zeitungen am Montag treffend titelten, und ihre gemeinsame
Mehrheit endgültig verspielt. Dann bliebe als Option eigentlich nur
noch die Verwirklichung der rechten Mehrheit an der Regierung, unter
Beteiligung des ca. 30% (oder dann noch mehr) Stimmenanteils für
Populisten bzw. Rechtsextreme, der bereits dieses Mal (wenn man das
Ergebnis der FPÖ, des Team Stronach und des BZÖ zusammen nimmt)
insgesamt erreicht wurde oder, wenn die ÖVP Strache auf jeden Fall
verhindern will, notfalls einen dritten Koalitionspartner, entweder
die Grünen oder die „Neos“ (sofern diese sich 2018 halten
sollten), zur rot-schwarzen Allianz hinzuzuziehen. Eine schwierigere
Konstellation wäre dies auf jeden Fall. Von daher sollten die beiden
alteingesessenen Koalitionsparteien bis 2018 eine Strategie der
Vertrauens-Rückgewinnung fahren, um das Schreckensszenario rechter
Rattenfänger an der Regierung zu verhindern.
Zu diesem Thema auch der Artikel vom Februar 2013, "80 Jahre nach der 'Machtergreifung' und 70 Jahre nach Stalingrad - eine Bestandsaufnahme des populistischen Neo-Faschismus in Europa von heute": http://www.pandora-box.eu/2013/02/80-jahre-nach-der-machtergreifung-und.html
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