02.01.2012

Die "Affäre Wulff" wird zum "Fall Wulff": Der Bundespräsident und die Pressefreiheit


Wenn sich der Bericht der Süddeutschen Zeitung als richtig herausstellt, nach dem Christian Wulff bei Redakteuren der "BILD"-Zeitung, sowohl bei Chefredakteur Diekmann als auch bei Springer-Chef Döpfner, angerufen und Diekmann sogar mit einem Strafantrag gedroht haben soll, sollten sie über die Vorgänge um den Privatkredit berichten, hätte die Affäre um den Bundespräsidenten nun eine neue Ebene erreicht.



Christian Wulff (2007)

Es ginge dann nicht mehr um die persönliche Ebene, um an Korruption grenzende Verstrickungen, moralisch fragwürdige Verbindungen zwischen einem Unternehmer und einem Minister- bzw. Bundespräsidenten, sondern um Vorgänge, die man fast schon als "Staatsaffäre" bezeichnen könnte: Das Staatsoberhaupt, oberster Repräsentant eines Landes und damit auch dessen Verfassung verpflichtet, versucht, eines dieser zentralen verfassungsmäßigen Grundrechte, die Pressefreiheit (Art. 5 GG*), zu beschneiden, und droht dabei sogar, seine persönliche Macht dafür zu mißbrauchen.



Hätten sich die betroffenen Journalisten von der Drohung einschüchtern lassen, wäre dies ein Schritt in russische Verhältnisse der Pressebeeinflussung bzw. Zensur gewesen. Der letzte, der seine vom Wähler direkt oder indirekt verliehene Macht gegen Journalisten bzw. zur Beschneidung der Pressefreiheit eingesetzt hatte, war Franz Josef Strauß gewesen (Spiegel-Affäre von 1962). Die Parallele erscheint auf den ersten Blick abwegig, da es in dem Spiegel-Bericht um eine ganz anders gelagerte Angelegenheit ging, nicht um eine persönliche Affäre wie bei Wulff, sondern um eine militärische. Auf den zweiten Blick handelt es sich bei beiden Vorgängen jedoch um Versuche, mißliebige Berichterstattung zu vermeiden. Im Fall von Strauß durch die nachträgliche Bestrafung von Redakteuren, im Fall von Wulff durch Androhung einer solchen im Fall der Berichterstattung.

Strauß musste damals zurücktreten, der Spiegel bekam 1966 im Spiegel-Urteil recht. Die Affäre Wulff, die nun immer mehr zum "Fall Wulff" zu werden scheint, muss nun - wenn das richtig ist, was die SZ schreibt - ebenfalls mit einem Rücktritt enden. Christian Wulff wäre dann, da er Grundrechte des Landes, das er repräsentiert, in Frage gestellt hätte, als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik nicht mehr tragbar.



*„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen