25.12.2013

Die Berliner Republik verspielt das Erbe von Willy Brandt: „Das Ende der (Außen-) Politik“ statt „Mehr Demokratie wagen“

Vor hundert Jahren, am 18.12.1913, wurde Willy Brandt (1913-1992) als Herbert Frahm in Lübeck geboren, der (nicht nur) in seiner Regierungszeit (1969-1974) polarisierende und wohl umstrittenste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der erste Sozialdemokrat in diesem Amt. Ihm folgte mit Helmut Schmidt (*1918 in Hamburg) der letzte eigentliche sozialdemokratische Kanzler der BRD ins Amt (1974-1982). Schmidt feierte in diesen Tagen einen runden, hohen Geburtstag, nämlich am 23. Dezember seinen 95. Brandt und Schmidt polarisierten und politisierten, die heutige Bundesregierung Angela Merkels dagegen ist so unpolitisch wie keine deutsche Regierung zuvor und vom außen-, europa- und wirtschaftspolitischem politischen Gestaltungswillen Brandts und Schmidts weit entfernt. Deutschland hat derzeit keine signifikante Außenpolitik und ist von Nicht-Politik, von Scheingefechten auf "Nebenkriegsschauplätzen", geprägt.  



Willy Brandt (damals Bundeskanzler) und Helmut Schmidt (damals Bundesfinanzminister) auf dem SPD-Parteitag in Hannover, April 1973 

Die beiden Sozialdemokraten und Hanseaten waren die letzten deutschen Kanzler, die die Bonner Republik in einer Zeit der starken politischen Polarisierung zwischen Ost und West, zwischen Links und Rechts, einer Zeit gesamtgesellschaftlicher Mobilisierung und Politisierung (Bürgerrechts- (Friedens, Frauen-, Ökologie-) Bewegung, 68er, Vietnamkrieg, Rote Armee Fraktion/“Deutscher Herbst“) regierten, vor der unpolitischeren Ära der 1980er Jahre. Brandt, der mit seinem Kniefall in Warschau am 7. Dezember 1970 einen sehr großen Beitrag zur europäischen, in diesem Fall spezifisch deutsch-polnischen Versöhnung leistete, nach den deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg dreißig Jahre zuvor, erhielt ein Jahr später, 1971, den Friedensnobelpreis für seine in Warschau symbolisch begonnene Annäherungspolitik („Neue Ostpolitik“). Schmidt initiierte mit dem französischen Präsidenten Giscard d'Estaing die Gründung des Weltwirtschaftsgipfels („G7“, heute „G 8“-Gipfel) 1975 sowie des Europäischen Währungssystems und der Europäischen Währungseinheit (EMS/ECU) 1979 (die elf bzw. zwanzig Jahre später als Europäische Wirtschafts- (EMU) und Währungsunion (Euro), wenn auch fehlerhaft, verwirklicht wurden).

Von derlei (außen- und europa-) politischem Gestaltungswillen, von derlei wirtschaftspolitischer Initiative ist im Deutschland des Spätjahres 2013 wenig zu spüren. Der Zeitgeist ist (genauso wie das politische Personal) mehr denn je unpolitisch. Angela Merkel (*1954, CDU), nun seit mehr als acht Jahren (November 2005) im Amt, ist die unspektakulärste und innerhalb Deutschlands wohl in der breiten Masse unumstrittenste, aber auch unpolitischste Kanzlerin. Die Taktik der Nicht-Politik und des „Aussitzens“ in krisenhaften Situationen statt echtem politischem Handeln übernahm sie erfolgreich von Helmut Kohl (*1930), der u.a. dadurch 16 Jahre im Amt blieb (1982-1998). In diesen Tagen beginnt die dritte Amtszeit der zur „Ewigen Kanzlerin“ avancierenden Regierungschefin (nur Kohl und Konrad Adenauer (14 Jahre, beide auch CDU) regierten länger). Gestützt von einer Großen Koalition ihrer Unionsfraktion und der SPD (fast 80% der Abgeordneten) und parlamentarisch nur einer Mini-Opposition aus Links- und Grünen-Fraktion (gut 20% der Abgeordneten) gegenüber stehend, spiegeln die Merkel'schen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag das „Ende der Politik“ und den Zeitgeist einer zunehmend entpolitisierten politischen Klasse exemplarisch wider. „Aussitzen“ (Kohl) oder „Politik der ruhigen Hand“ (Gerhard Schröder (SPD), * 1944, regierte 1998-2005) sind ebenso wie das Merkel'sche Nicht-Handeln, seit dreißig Jahren Teil der (nicht-)politischen (Regierungs-) Kultur und -Praxis der Republik, und oft überließ so die Politik den Märkten das Spielfeld, einer Entwicklung hin zu einer „marktkonformen Demokratie“, die Colin Crouch als „Postdemokratie“ beschreibt, Vorschub leistend. Wenn „reformiert“ wurde, dann nur im selben Sinne der Postdemokratisierung bzw. Entpolitisierung der wirtschaftlichen Sphäre; „Reform“ ist im euphemistischen Neusprech der letzten Jahrzehnte synonym mit Deregulierung, Prekarisierung, Sozialabbau.

Man kann eine Große Koalition natürlich im Positiven grundsätzlich als die Manifestation eines demokratisch-inklusiven, auf Kompromiss und Konsens ausgerichteten Politikstils befürworten; zu befürchten steht aber, dass die SPD, die wie es nun überall zu lesen ist, die Koalitionsverhandlungen zwar „gewonnen“ hat, am Merkel'schen Primat der Nicht-Politik über die Politik nichts oder nicht viel ändern wird. Die Alternative einer weniger mächtigen, aber „politischeren“ Koalition der Sozialdemokraten mit den Grünen und der Linkspartei stünde bereit; die SPD hat diese aber – zumindest für diese Legislaturperiode noch - zugunsten einer „unpolitischen“ Großen Koalition verworfen. Ob ihr dies in den nächsten Jahren nützen oder schaden wird, wird sich zeigen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat aber heute keinen wie Willy Brandt in ihren Reihen, der wirklich „mehr Demokratie wagen“ könnte.



"Solche demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsre Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun. Wir werden darauf hinwirken, dass nicht nur 
durch Anhörungen im Bundestag, durch ständige Fühlungnahme mit den repräsentativen Gruppen unseres Volkes und durch eine umfassende Unterrichtung über die Regierungspolitik jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken." (erste Regierungserklärung Brandts, 28. Oktober 1969)

Zwar nicht ganz so offensichtlich wie in Österreich, wo in der Neuauflage der fast schon „ewigen“ Wiener Großen Koalition das eigenständige Wissenschaftsministerium abgeschafft und dieser Bereich dem Wirtschaftsressort untergeordnet wurde, aber doch auch in Deutschland für informierte Bevölkerungsgruppen greifbar ist, dass "Fühlungnahme" und "Zuhören" heute eben nicht erfolgt und Mitwirkung heute eben nicht erwünscht ist, dass das Primat der Demokratie, der gewählten Politik und der (theoretisch unabhängigen und humanistischen) Bildung, dem Primat ungewählter Wirtschaftsinteressen und der Ausbildung von „Humankapital“ untergeordnet wird.


Breite Schichten der Bevölkerung in Deutschland empfinden dies jedoch scheinbar nicht als gravierend, so lange sie (für sie subjektiv) nicht direkt und unmittelbar davon tangiert sind bzw. durch die Prioritätensetzung der Mainstream-Medien (und z.B. auch des scheidenden Innenministers Friedrich) andere Sündenböcke propagiert werden („Pleite-Griechen“, Abstempelung aller einwandernden Bulgaren und Rumänen als kriminell). Damit kann man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn sowohl die „in Brüssel“ (die die Grenzen öffnen) als auch „die Ausländer“ (die dadurch, natürlich nur um „uns“ auszunutzen, natürlich „massenhaft“ zu „uns“ kommen) werden so als Feindbilder aufgebaut. Dass die westlichen Staaten, allen voran Deutschland, von der Erweiterung des Wirtschaftsraums nach Osten profitieren, durch den Zugriff auf billige Arbeitskraft und Märkte, wird, genauso wie der in Deutschland demographisch bedingt bestehende Bedarf an Zuwanderern (z.B. im Bereich der (Alten-) Pflege), nicht priorisiert; dass in einer angeblich von „Freiheit“ geprägten Ideologie konsequenterweise diese neben der viel beschworenen Freiheit für die Märkte und Waren auch Freizügigkeit für die Arbeitskraft (d.h. Arbeiter) einschließen muss, blenden die Konservativen in dieser Debatte geflissentlich aus; „nationale“ Grenzen werden, nicht nur in Großbritannien, beim Thema Zuwanderung wieder hochgezogen, geht es um Finanz- und Warenströme, überwinden diese die Grenzen jedoch ungehindert und unreguliert.



Ein weiteres „unpolitisches“ Thema, das von den unpolitischen Populisten „national“ aufgeladen wurde, ist die Pkw-Maut „für Ausländer“. Die Bürger der Nachbarstaaten sollen für die Benutzung deutscher Autobahnen und somit auch für deren Instandhaltung und Ausbau zahlen, die Deutschen nicht. Auch hier wird die nationale Karte gespielt, zumal bei einem Thema, was vielen Deutschen so wichtig ist wie kaum ein anderes, nämlich der Heiligen Kuh Autoverkehr und „Freiheit“ zum unbegrenzten Fahren, d.h. ohne Tempolimit und Autobahnmaut. Dass es ungerecht ist, nur die Ausländer dafür zahlen zu lassen, bekümmert die deutschen Wohlstands-, aber gleichzeitig Geiz-, Bürger nicht. Sollte die Kfz-Maut wirklich konkretisiert und im CSU-Sinne umgesetzt werden und daraufhin die Nachbarländer Niederlande, Österreich und Tschechien dagegen klagen, wie von der Wiener Verkehrsministerin bereits angekündigt, wird der Europäische Gerichtshof sehr wahrscheinlich einen Riegel vorschieben und die Ungleichbehandlung als europarechtlich ungesetzlich bemängeln. Aber was erwartet man von einer Partei, deren Generalsekretär, Alexander Dobrindt, nun zum Verkehrsminister befördert, sich für ein Verbot der Linkspartei ausgesprochen hat, der einzigen „politischen“ Partei, die nun im Bundestag die größere der beiden Oppositionsfraktionen stellt? Die Linkspartei ist derzeit auch die einzige Partei, die statt von den bayrischen Populisten eröffneten Nebenkriegsschauplätzen wie der Kfz-Maut Relevanteres thematisiert, nämlich die Wurzeln der finanziellen, gesellschaftlichen und sozialen Krise, und die die unpolitische Kanzlerin mit den unbequemen Wahrheiten der Krise in vielen anderen Ländern Europas, die in Deutschland verdrängt wird, konfrontiert. Sahra Wagenknecht, nun Oppositionsführerin, erinnerte am Mittwoch im Deutschen Bundestag daran, wie fatal die Situation in den Krisenländern weiterhin ist. Die Krise war jedoch im zurückliegenden Wahlkampf nur auf sehr unpolitische Art bzw. nur national beschränkt (d.h. bisher für Deutschland nicht stark spürbar) ein Thema, simple Holzhammer-Stammtisch-Themen wie Maut (für/gegen „Ausländer“), Tempolimit und „Veggie Day“ (Beschneidung von „Freiheit“, „Gängelung“, „Öko-Faschismus“) brachten den Unionsparteien (und kosteten die Grünen) Stimmen.


In der Außenpolitik herrscht im Umgang mit Russland ein Schwarz-weiß-Argumentationsmuster „Westen gut - Russland böse“ vor, das an die Tage des Kalten Krieges erinnert. Neoliberale Medien wie der ansonsten nicht gerade EU-freundliche britische „Economist“ (das Sprachrohr der „Märkte“ par excellence) stellen sich mit aller Vehemenz auf die Seite der ukrainischen Opposition bzw. gegen Yanukowitsch, denn die Ost-Politik der EU, die unter dem Deckmantel von „Annäherung oder Assoziation“ der Ukraine im Verbund mit und unter Druck von neoliberalen Akteuren wie dem IWF stattfindet, ist keine der Annäherung auf Augenhöhe, wie sie Brandt in den 1970er Jahren mit dem sowjetischen Lager betrieben hatte („Wandel durch Annäherung“), sondern impliziert eine binäre Logik: „Entweder wir oder Russland“. Dabei geht es aus Brüsseler Sicht weniger um Bürger- und Freiheitsrechte (auch wenn der „EuroMaidan“-Protest für viele Demonstranten sicherlich vor allem ein Protest gegen die Polizeigewalt der Yanukowitch-Regierung ist), sondern in erster Linie um die Erschließung der osteuropäischen Märkte für die wirtschaftsstarken EU-Staaten. Dass der Assoziierungsvertrag für die Ukraine ein u.a. vom IWF befördertes neoliberales Diktat (und auch Prekarisierung der ärmeren Bevölkerung, z.B. durch die Verdoppelung des Gaspreises) bedeutet hätte, wird in den westlichen Medien so gut wie gar nicht berichtet (ebensowenig wie die Unterwanderung bzw. Instrumentalisierung von „EwroMaidan“ durch anti-kommunistische und/oder neo-faschistische Ultra-Nationalisten wie jene von der Partei „Swoboda“ nicht in das Schwarz-Weiß-Bild passt). Während Russland (berechtigterweise) von Deutschland (und anderen) für seine Illiberalität bzw. Intoleranz gegenüber Homosexuellen u.a. kritisiert und sanktioniert wird (Stichwort „Boykott“ der anstehenden Winterspiele in Sotschi durch den Bundespräsidenten) und Oppositionellen wie Chodorkowski unreflektiert hofiert wird (immerhin ein neoliberaler Wirtschaftskrimineller), ist ein Protest derselben Regierung(en) gegen die neo-imperialistische Massen-Überwachung ausländischer Staatsbürger durch die USA und ihre engsten Verbündeten (zu denen Deutschland nun auch offensichtlich eigentlich nicht mehr gehört) nicht oder nur alibimäßig erfolgt; ganz zu schweigen von irgendeiner größeren Äußerung der Bundesregierung zu den illegitimen bis illegal-rechtswidrigen Praktiken der US-Regierung (bzw. des US-Militärs) innenpolitisch, im Drohnenkrieg, in Guantanamo, im Irak und in Afghanistan, die von Julian Assange, Bradley/Chelsea Manning und Edward Snowden aufgedeckt wurden und werden. Die Regierung Merkel tritt in Kalter-Krieg-Manier gegenüber dem Osten, aber buckelt gegenüber dem “Big Brother“ im Westen. Erneut war es nur die Linkspartei, in diesem Fall in Person von Gregor Gysi, die die Doppelmoral von offizieller Begründung (Antiterrorkamof und Kriminalitätsbekämpfung) und eigentlichem Zweck (Förderung und Verteidigung imperialistischer Wirtschaftsinteressen) der Massenüberwachung durch die “Five Eyes“ (USA, Vereinigtes Königreich, Kanada, Australien, Neuseeland) und das „Duckmäusertum“ der deutschen Bundesregierung diesen gegenüber thematisierte.


Das Ganze steht unter dem Stichwort Bekämpfung von Terrorismus, von Drogenkriminalität. Eine flächendeckende, umfassende Überwachung der Bevölkerungen fast aller Staaten hat etwas mit der Bekämpfung von Terrorismus und Drogenkriminalität zu tun? In welchem Verdacht steht eigentlich unsere Kanzlerin, wenn auch deren Handy abgehört wird? Ich glaube, bei dieser Begründung wird es doch grotesk. (…) Mit Duckmäusertum und Hasenfüßigkeit erreicht man keine Freundschaft, sondern das Gegenteil. Nur dann, wenn wir gegenseitige Achtung und gegenseitigen Respekt herstellen, kann es eine wirkliche Freundschaft geben. Dazu brauchen Sie als Bundesregierung Mumm. Sie müssen der US-Regierung sagen: Schluss, aus; wir hören Snowden und schützen ihn. – Dann erst sind wir wirklich souverän. Sie müssen fordern: Verhandelt mit uns auf Augenhöhe! – Dann kriegen wir auch eine Freundschaft mit den USA hin. Was Sie machen, ist Duckmäusertum. (...) Wenn Sie nichts machen – Herr [Bundesinnenminister] Friedrich, Sie haben gesagt, Sie verhandeln mit denen –, wissen Sie, was Sie diesen fünf Ländern damit eigentlich sagen? Sie sagen ihnen damit: Macht ruhig weiter so, von uns habt ihr nicht den geringsten Nachteil zu erwarten! – Ich wiederhole: Das verletzt schwer den Eid, den Sie geleistet haben, nämlich Schaden von unserer Bevölkerung abzuwenden.“ (Gregor Gysi (Die Linke), im Bundestag, 18.11.2013)

Dieser Überwachungsapparat dient nicht in erster Linie der Terrorabwehr (im Übrigen bestand er in dieser Form bereits vor dem “war on terror“), sondern auch der Wirtschaftsspionage und, im Hinblick auf die Beschneidung bürgerliche Freiheiten noch gravierender, der Unterdrückung bzw. Prävention globaler politischer Aktivitäten gegen die Nicht-Politik der „marktkonformen Demokratien“. Um das System der Postdemokratie weiter zu befördern bzw. Widerstand gegen die „Postdemokratisierung“ ersticken zu können, setzen sich die Geheimdienste der “Five Eyes“ über die Souveränität angeblich gleichberechtigter Nationalstaaten hinweg bzw. werden teilweise sogar auch noch von den Diensten dieser Staaten mit Informationen und Technologie beliefert. Neben den Finanzmärkten kristallisieren sich durch die Edward Snowden zu verdankende Aufdeckung der Massenüberwachungsvorgänge die Geheimdienste als weitere undemokratischer Spieler im de jure demokratischen System heraus, die die ihnen in diesem System eigentlich zugestandene oder zugewiesene (notwendige) Funktionen als Sicherheitsdienste überschreiten und so „freie“ in postdemokratische Gesellschaften verwandeln.

So wie die Finanzmärkte eine zu übermäßig große Macht haben, durch die sie demokratisch gewählte Politiker zu Marionetten ihrer Interessen machen, so stützen auch die Geheimdienste durch die Massenüberwachung das System des Primats der Freiheit und der Bevorteilung der Finanz- und Wirtschafts-Eliten (und deren wirtschaftlichen Imperialismus) gegenüber einem am Gemeinwohl orientierten Politik-Primat (siehe hierzu auch den Artikel "Die neue 'pax americana': 'Freiheit' nur für die Märkte?"). Die Freiheit der Bürger stirbt mit der uneingeschränkten Priorisierung angeblich notwendiger „Sicherheit“, die sich z.B. in der Abschottung ganzer Gegenden manifestiert, in die das „gemeine“ Volk gar keinen Zutritt hat (siehe hierzu auch „Angriff auf die Festung Amerika“). Die pax americana ist eine, die auf Bürger- und Menschenrechte, Gleichberech-tigung unter bzw. Souveränität von Nationalstaaten, kurz Grundpfeiler demokratischer Strukturen, keinen Wert (mehr) legt, ja sogar rechtsfreie Räume schafft (das Lager Guantanamo). Momentan fallen die westlichen Gesellschaften hinter die Errungenschaften der oben erwähnten Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre zurück. Sie bzw. ihre politische Klassen wagen eben nicht mehr Demokratie. Für die bundesdeutsche und europäische Politik scheint es bequemer, in den Bereichen Außen und Wirtschaft durch Ablenkungsmanöver Nicht-Politik zu betreiben bzw diese Bereiche dem Einfluss imperialistischer, undemokratischer Akteure (Finanzmärkte, Geheimdienste, Industrie, Lobbys, Wirtschaft) zu überlassen. Eine Rückkehr zu mehr und v.a. echter Demokratie im Brandt'schen Sinne, zu einer der Brandt'schen Ostpolitik (d.h. ausgewogeneren, der Lage der BRD zwischen Ost und West) entsprechenden Außenpolitik, und insgesamt zu Politik zu Krisen-Themen statt Nicht-Politik zu Nicht-Themen, ist, jedenfalls in der Großen Koalition nicht in Sicht.    




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